"Die größte Leistung ist, sich selbst treu zu bleiben in einer Welt, die einen immerfort zu verändern sucht." Ralph Waldo Emerson

Anderer Sternenstaub

Freitag, 4. November 2011

Das Geheimnis

Die Grillen zirpten. Sie atmete aus. Endlich weg von diesem Lärm. Sie mochte keine Partys. Überall aufgedrehte Menschen. Und sie musste mitspielen. Sie zog ihre Ballerinas aus, setze sich an den Pool und ließ ihre Füße im Wasser baumeln. Sie lehnte sich zurück und schaute in den sternenklaren Himmel. „Na, auch für's erste genug?“ Sie zuckte zusammen. Mark stand hinter ihr. Der Mark, für den so gut wie alle Mädchen ihrer Schule schwärmten. Er sah nicht nur gut aus, er hatte auch verdammt viel im Köpfchen und war in keinster Weise mit den anderen Dumpfbacken ihrer Stufe gleichzustellen. Aber sie interessierte sich nicht für ihn. Es war besser sich abzukapseln.
„Tut mir Leid, ich wollte dich nicht erschrecken“, entschuldigte er sich.
„Schon okay“, sage sie.
„Darf ich mich setzen?“, fragt er. Sie nickte.
Schweigend saßen sie nebeneinander, bis er die Stille durchbrach:
„Die Sterne sehen wunderschön aus, nicht wahr?“
Sie nickte wieder.
„Schau, da oben ist die Venus“, sagte Mark und zeigte auf den hellsten Stern.
„Ja. Das war der Lieblingsstern meiner...“
Augenblicklich hörte sie auf zu sprechen. Sie war zu unvorsichtig. Sie durfte nicht zu viel verraten.
„Ja?“, fragte Mark.
„Einer guten Freundin von mir“, verbesserte sie sich.
„Was ist mit ihr passiert?“, wollte er wissen.
Sie zuckte zusammen. Wie konnte er...?
„Wie...? Wie kommst du darauf, dass etwas passiert ist?“, fragte sie.
„Du hast gesagt es war ihr Lieblingsstern“, erwiderte er.
„Wir haben keinen Kontakt mehr“, sagte sie. Lügen waren ihre einzige Waffe.
„Schade, dann kannst du ihr ja gar nicht mehr ausrichten, dass die Venus gar kein Stern ist“, meinte Mark.
 
„Nicht?“, fragte sie.
„Nein. Ein Planet. Er ist nach dem Mond das hellste Objekt am Sternenhimmel.“
„Woher weißt du eigentlich immer alles?“ fragte sie Mark. Er lachte.
„Tu ich das denn?“
„Ja.“
„Naja, ich schätze ich will es einfach immer ganz genau wissen. Ich mag keine Geheimnisse. Wenn ich etwas interessant finde, recherchiere ich bis alles, was unklar war beseitigt ist.“
„Wow“, sagte sie. Erneutes Schweigen.
„Was ist dein Geheimnis?“, fragte er auf einmal.
Sie hielt die Luft an.
„Wie kommst du darauf, dass ich ein Geheimnis habe?“,fragte sie dann.
Er lachte. „Du bist nicht wie die anderen“, sagte er.
„Nur weil ich nicht bin wie die anderen, muss das noch lange nicht heißen, dass ich ein Geheimnis habe.“

„Es ist nicht nur das“, meinte er, „mein Gefühl sagt mir, dass du etwas zu verbergen hast und mein Gefühl hat mich bis jetzt noch nie getäuscht.“ Er legt eine Pause ein. „Und wie gesagt: Ich mag keine Geheimnisse.“
Er blickte ihr tief in die Augen. Sie waren eisblau. Ein schüchternes Lächeln umspielte seine Lippen.
Gerne hätte sie sich jetzt alles von der Seele geredet. Ihm das Unfassbare anvertraut. Doch es ging nicht.
Traurig wand sie den Blick ab.
„Ich muss gehen“, sagte sie und stand auf.
An der Türschwelle stehend drehte sie sich noch ein letztes Mal um. Er blickte ihr nach. Sie schluckte. Es war besser so...

2 Kommentare: