Not Guilty.

Seaside

Sie schloss die Augen und atmete tief die salzige Meeresluft ein. Die untergehende Sonne erwärmte ihr mit Sommersprossen übersätes Gesicht. Ihre großen, geschlossenen Augen mit den langen Wimpern. Die vollen Lippen. Ihre Fingerspitzen fuhren langsam durch den Sand. Alles was sie hörte, war das Rauchen des Meeres. Es beruhigte sie und sie liebte diese Momente. Diesen Zeitpunkt einmal im Monat, wenn sie ihre Großmutter besuchte, die in einem Haus am Meer lebte. Dann kam sie hierher, um den Sonnenuntergang anzuschauen. Mit hierher war ihr Platz gemeint. Naja, vielleicht gehörte er nicht ihr. Aber er gehörte zu ihr. Denn außer ein paar Möwen verirrte sich nie jemand an diesen einsamen Strand. Sie spürte wie der von der Sonne erhitzte Stein ihren Rücken wärmte. Am liebsten würde sie diesen Moment für immer festhalten. Plötzlich schreckte eine Möwe sie aus ihrer Ruhe. Als sie klein war hatten ihr diese Tiere immer Angst eingeflößt. Ihr Gekreische. So als würden sie sich über sie lustig machen wollen. Als hätten sie all ihre Fehler begriffen, um sich lautstark darüber auszulassen. Doch irgendetwas faszinierte sie auch an diesen Wesen. Die Art, wie sie schwerelos durch die Lüfte glitten. Sie beneidete sie um diese Freiheit. Wie gerne würde sie, wann immer sie wollte, einzelnen Momente ihres Alltags entfliehen. Dem Vater, der trank und der Mutter, die gar nichts mehr sagte, sie nur noch stumm ansah, wie eine leblose Hülle.

Die Sonne war nun schon bald hinter dem Horizont verschwunden. Aber sie würde noch nicht gehen. Langsam ließ sie Sand aus ihrer Hand auf den Boden rieseln. Ihre Zeit hier war noch nicht abgelaufen.