We Are Girls
"Die größte Leistung ist, sich selbst treu zu bleiben in einer Welt, die einen immerfort zu verändern sucht." Ralph Waldo Emerson
Anderer Sternenstaub
Montag, 6. Mai 2013
Sonntag, 6. Januar 2013
Sonntag, 16. Dezember 2012
Freitag, 12. Oktober 2012
Zum letzten Mal
Mit zitternden Finger öffnete sie die
Tür.
Dort lag er, im weißen
Krankenhausbett. Er hatte sie nicht bemerkt.
„Hey...“, sagte sie.
Erschrocken von dem Klang ihrer Stimme
drehte er sich zu ihr.
„Was...was machst du hier?“, fragte
er, mit dem letzten Rest seiner Stimme, den ihm die Krankheit noch
nicht genommen hatte. Der Krebs hatte an ihm gezehrt, ihn zerstört.
„Ich war bei dir zu Hause, dein
Bruder war dort“, antwortete sie.
„Er hat dir den Brief gegeben“,
stellte er fest.
Sie sah zu Boden. „Ja.“ Sie ertrug
es kaum ihn so zu sehen. Den Jungen, der für sie immer der Stärkste
und Heldenhafteste war. Der scheinbar jedes noch so große Hindernis
überwinden hatte können.
Sie hatten immer den ganzen Sommer
miteinander verbracht. Seit sie klein war. Jeden Sommer war sie
hierher gekommen, wo ihre Tante gelebt hatte. Und jeden Sommer hatte
er zu einem neuen Abenteuer gemacht. Nie hatte er sie anders
behandelt, als es ein Bruder mit seiner Schwester tun würde. Sie
hatte es sich gewünscht, aber er hatte es nie getan. Es gab nur
diesen einen Kuss. Es war an ihrem 17. Geburtstag gewesen. Aber er
hatte gesagt, dass es nichts bedeutet hätte und sie hatte es
akzeptieren müssen. Als vor drei Jahren ihre Tante starb, war es
vorbei mit den Besuchen.
Drei Jahre lang, hatte sie nichts von
ihm gehört. Bis ihre Mutter ihr vor zwei Tagen sagte, dass er krank
war. Krebs im Endstadium. Sofort hatte sie ihre Sachen gepackt und
den nächsten Zug genommen.
„Ich will nicht, dass du schon
gehst“, flüsterte sie.
„Es ist Zeit“, sagte er.
Sie schüttelte heftig den Kopf. „Nein!
Nein, hörst du? Es ist noch nicht so weit!“ Ihre Stimme zitterte.
„Doch, das ist es“, sagte er und
sein Blick schweifte dabei ins Leere.
„Wieso... Warum hast du denn nie was
gesagt?“, fragte sie und eine Träne lief dabei ihre Wange
herunter.
„Was gesagt?“, fragte er, obwohl er
es wusste.
Sie zeigte auf den Brief. „Das!
Alles, was da drin steht. Dass du in mich verliebt warst, oder es
immer noch bist, keine Ahnung! Und dass du gemerkt hast, dass ich
mehr für dich empfinde. Wieso, zum Teufel, hast du nie ein Wort
davon erwähnt? Weißt du eigentlich, dass ich in den ganzen drei
Jahren keinen anderen Jungen küssen konnte, ohne daran zu denken wie
es war, als wir uns geküsst haben? Man, dieser Kuss, das ist vier
Jahre her. Aber er hat mit so viel bedeutet.“
Seine Hand verkrampfte sich und er sah
auf einmal wütend aus. „Es war so nicht geplant, ok?“
„Was war nicht geplant? Ist das
alles, was dir dazu einfällt?“
Im nächsten Moment wirkte er
erschöpft. Er seufzte. „Ich wollte, nicht, dass du das jetzt schon
liest. Mein Bruder sollte ihn dir schicken, wenn... wenn... du weißt
schon.“
„Was? Wenn du tot bist? Warum,
verdammt? Du hättest es mir sagen können! War es, weil wir nur die
Sommermonate hatten? Ich hätte warten können.“
„Nein, du verstehst das nicht“,
sagte er, „ich hätte auch jederzeit gewartet. Aber es war besser
so. Erinnerst du dich an den Sommer vor 5 Jahren? Ich war den ganzen
Juni über nicht da. Du dachtest, dass ich meinen Großonkel in
Bayern besuchen würde. Aber das war nicht wahr. Zu der Zeit war der
Krebs bei mir ausgebrochen und ich war in einer Klinik. Ich habe es
geschafft ihn zu besiegen, aber ich wusste, dass er wieder kommen
würde. Eigentlich hatte ich damals vor, dir zu sagen, dass ich mich
in dich verliebt habe. Aber dann war da im Juli dieses Straßenfest,
weißt du noch? Da kam ich dann wieder aus der Klinik...“ er
stoppte plötzlich und lächelte. Eine Weile verharrte er so, dann
sprach er weiter: „Du trugst dieses weiße Sommerkleid und deine
Augen haben geleuchtet wie diese Steine, die deine Tante gesammelt
hat und nach denen du ganz verrückt warst..“
„Saphire“, ergänzte sie.
Er nickte. „Ja... Und da wurden mir
zwei Sachen klar. 1. Dass du niemals erfahren durftest, dass ich
Krebs habe. Ich wusste, dass es dich mit mir zerstört hätte. Und 2.
Dass ich nicht zulassen durfte, dass du dich noch mehr in mich
verlieben würdest. Dass du dich mit Haut und Haaren verlieben
würdest, so wie ich mich in dich verliebt hatte. Am Ende hättest du
mich verloren. Das wäre derart egoistisch gewesen, dass ich mir nie
mehr selbst in die Augen hätte blicken können.“
Stille entstand.
„Es hätte so nicht sein dürfen“,
sagte sie irgendwann.
„Wie gesagt, der Brief war erst für
später bestimmt“, erwiderte er.
„Nein. So hätte es auch nicht sein
dürfen. Wir hätten die Zeit genießen können. Das wäre mir den
Schmerz wert gewesen. Und denkst du etwa, wenn ich den Brief gelesen
hätte und du nicht mehr da gewesen wärst, wäre das weniger
schmerzvoll gewesen? Wäre es nicht“, sagte sie mit einer
derartigen Enttäuschung und Traurigkeit in der Stimme, dass es ihm
fast das Herz brach.
Sie hatte Recht.
„Ich habe alles falsch gemacht,
oder?“ fragte er und sie konnte eine Träne in seinem Augenwinkel
erkennen. Noch nie hatte sie ihn weinen sehen.
„Jeder macht Fehler“, antwortete
sie und sah ihn dabei lange an.
„Ich wünsche mir, dass du irgendwann
einen Jungen küssen kannst ohne an mich zu denken“, sprach er.
„Ich mir auch. Aber dazu muss ich
noch eine letzte Sache machen“, sagte sie.
Er sah sie fragend an.
Langsam beugte sie sich zu ihm hinunter
und ihre Lippen versanken in einander. Es war ihr letzter Kuss, das
wussten sie beide.
Dann stand sie auf und ging zur Tür.
Dort drehte sie sich noch einmal um.
„Die Dinge kommen wie sie kommen
nicht wahr?“, fragte sie mit einem Lächeln.
„Das muss wohl so sein“, antwortete
er.
„Ich werde dich nie vergessen“,
flüsterte sie, bevor sie ging.
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